Die Bundesregierung hat
sich in einem so genannten „Atomkompromiß“ mit den Kraftwerkbetreibern auf
längere Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke geeinigt. Damit ist der
Atomausstieg, der von der damaligen rot-grünen Bundesregierung vor zehn
Jahren im Konsens mit den Energiekonzernen beschlossen wurde, vorerst vom
Tisch. Als Gegenleistung fließen jährlich etwa 2,3 Milliarden Euro
Brennelementesteuer in die Bundeskasse – allerdings nur bis 2016. Was danach
kommt, weiß niemand. Ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man die nun
langfristig gesicherten Gewinne der großen Energiekonzerne betrachtet:
Selbst bei nur moderat steigenden Strompreisen in den nächsten zwei
Jahrzehnten belaufen sich diese auf geschätzte 60 bis 100 Milliarden Euro.
Jeder der längst abgeschriebenen deutschen Atommeiler spült den Konzernen
rund eine Million Euro in die Kassen – täglich! Bereits kurz nach
Bekanntgabe der verlängerten Laufzeiten stiegen die Aktienkurse der
Energiekonzerne. Die Bundesregierung hat hier mal wieder gezeigt, daß sie
gegen den Willen der Mehrheit eine Lobbypolitik zum Wohle der Großkonzerne
betreibt, denn nach einer aktuellen Umfrage sprechen sich 57,8% der
Befragten für einen Atomausstieg aus, während lediglich 26,3% die Pläne der
Bundesregierung befürworten.
Für Schleswig-Holstein
bedeutet dieser faule Kompromiß, daß auch der „Pannenreaktor“ Krümmel bis
2033 am Netz bleiben darf; vielleicht aber auch noch länger, denn was da
ausgehandelt wurde, sind keineswegs feste Jahreslaufzeiten, sondern
sogenannte „Reststrommengen“. Die Konzerne können mit diesen Strommengen
zwischen ihren Kraftwerken jonglieren. Dazu kommt: Gerade wenn ein
Atomkraftwerk, wie etwa Krümmel, längere Zeit ausfällt, darf es am Ende noch
länger betrieben werden. Insgesamt wird in dem aktuellen Beschluß von
unrealistisch hohen Volllastzeiten von bis zu 95 Prozent in den nächsten
Jahren ausgegangen. Zum Vergleich: Die Leistung des Kraftwerks Krümmel lag
in den letzten Jahren bei rund 30 Prozent. Da andererseits auf dem deutschen
Strommarkt schon jetzt mehr Strom vorhanden ist, als gebraucht wird, erlaubt
es dieser sogenannte „Kompromiß“ Vattenfall und Konsorten, ihre Atommeiler
in den nächsten Jahrzehnten strategisch dazu einzusetzen, die Strompreise in
die Höhe zu treiben – je nachdem, wann welche Werke am Netz sind oder gerade
„ausfallen“, so wie es mit dem AKW Krümmel in den letzten Jahren schon
praktiziert wurde. Es handelt sich letztlich um einen Freibrief für die
Konzerne, Geld zu drucken – und zwar wann sie wollen, und (fast) solange sie
wollen.
Viele Schleswig-Holsteiner
hatten gehofft, daß nach den unzähligen Pannen die tickende Zeitbombe
Krümmel nie wieder ans Netz gehen wird. Immer wieder kam es zu Störfällen.
Bereits am 28. Juni 2007 war einer der beiden Transformatoren am
Reaktorgebäude nach einem Kurzschluß ausgebrannt. Er konnte nur ersetzt
werden, weil Vattenfall aus dem Uralt-Reaktor Brunsbüttel einen ungenutzten
Reservetrafo ausbaute. Nach zweijähriger Reparatur wurde Krümmel am 19. Juni
2009 wieder in Betrieb genommen. Doch bereits zwei Wochen später kam es
erneut zu einem Kurzschluß. Dabei ist der Reaktor offenbar nur knapp an
einem Brand vorbeigeschrammt. Seit dem 4. Juli 2009 steht der Reaktor nun
still. Doch nicht zuletzt dank des Rückenwindes aus Berlin verkündet eine
Sprecherin des Betreibers Vattenfall selbstsicher, daß das Atomkraftwerk
Krümmel bereits im Januar 2011 wieder Strom liefern wird.
Grund zur Freude?
Immerhin bietet diese
Hochtechnologie theoretisch jede Menge Vorteile gegenüber der
„herkömmlichen“ Stromerzeugung mittels Kohle oder Gas: Sauber,
leistungsstark und kostengünstig, diese Eigenschaften treffen zuerst einmal
durchaus auf Kernkraftwerke zu. Kernkraftwerke produzieren kein Kohlendioxid
und benötigen im Vergleich zu fossilen Brennstoffen eine extrem geringe
Menge an Brennstoff (meistens Uran). Die Kosten sind dadurch auf Jahrzehnte
hinweg gut kalkulierbar und die Profite enorm. Kein Wunder also, daß die
vier deutschen Betreiber von Atomkraftwerken – E.on, Vattenfall, RWE und
Enbw – sich die Hände reiben.
Doch der schöne Schein
trügt: Die Risiken und versteckten Kosten der Atomkraftnutzung sind
unkalkulierbar. Das Problem ist dabei das atomare Material, das als
Kraftquelle eingesetzt wird und unweigerlich und über einen Zeitraum von
Jahrzehntausenden Strahlung erzeugt. Welche verheerenden Auswirkungen diese
Strahlung auf Mensch und Umwelt hat, ist spätestens seit dem Reaktorunfall
in Tschernobyl bekannt. Doch auch im Normalbetrieb sind Kernkraftwerke
gesundheitlich nicht vollkommen unbedenklich. Im Jahr 2001 sorgte eine
Studie von Dr. Alfred Körblein vom Umweltinstitut München für Aufsehen, die
erhöhte Kinderkrebsraten in der Umgebung von AKWs nachwies. Das Bundesamt
für Strahlenschutz hat die Richtigkeit der Untersuchung nach anfänglichen
Zweifeln bestätigt. Ein weiteres Problem und Gefahrenpotential stellt die
ansteigende Menge atomaren Mülls dar, für die bis heute weltweit kein
geeignetes Endlager gefunden wurde. Und weil es noch kein Endlager gibt,
wird der Atommüll aus den deutschen Reaktoren ins Ausland gefahren, um dort
wiederaufgearbeitet zu werden. Der Müll muß aber irgendwann zurückgenommen
werden – fährt also ein zweites Mal durch die Lande in ein Zwischenlager,
und falls es irgendwann ein geeignetes Endlager für den strahlenden Abfall
geben sollte, rollt er dann ein drittes Mal über Straßen und Schienen. Wann
das sein wird, weiß niemand, und solange liegen tausende Tonnen strahlenden
Materials mehr oder weniger kontrolliert an dutzenden verschiedenen Orten in
Deutschland. Den Konzernen kann das weitgehend egal sein, denn am Ende
werden nicht sie, sondern der Staat mit den tausenden Tonnen Atommüll
fertigwerden müssen.
Wir Nationaldemokraten setzen auf erneuerbare Energien, bei denen
Deutschland weltweit führend ist. Längst haben sie die Kapazität, die
Technologien des letzten Jahrhunderts abzulösen, wenn nicht die großen
Stromkonzerne um ihres Monopols willen die Entwicklung nach Kräften bremsen
würden. Wir fordern daher das konsequente Vorantreiben der „grünen“
Technologien, einen schnellstmöglichen Ausstieg aus der Brückentechnologie
Atomkraft und die sofortige Schließung des Pannenreaktors Krümmel.
Jörn Lemke
Lübeck 07. September 2010